Kürzlich fragte mich jemand, was ich an einem Menschen besonders bewundere und meine Antwort kam schnell – vor allem nach den Begegnungen bei meinen Lesungen zu „Bis ans Meer“:
„Wenn jemand durch schwere Zeiten gegangen ist, ohne verbittert zu werden.“ Denn das erfordert wahrhaftig Kraft.
Tatsächlich kam mir in den vergangenen Monaten häufig folgender Gedanke: Vermutlich können nur diejenigen, die wissen, was Leid bedeutet, wirklich menschlich handeln – in Demut, Dankbarkeit, Wertschätzung und Mitgefühl für andere. Also genau jene Werte leben, die uns als Menschheit ausmachen. Tiefe statt Hochmut und Oberflächlichkeit.
Solche Menschen habe ich in diesem Jahr oft getroffen. Es waren Eltern von Sternenkindern oder ehrenamtlich Engagierte wie beispielsweise bei Lukas Stern e.V., die diese Eltern unterstützen. Es waren Frauen und Männer, die den Zweiten Weltkrieg mit Flucht und Vertreibung noch selbst erlebt hatten und sich heute für Versöhnung einsetzen. Deren Enkel, die trotz der Schatten ihrer Vorfahren nicht aufgeben, das eigene Glück zu finden. Menschen, die ihr Zuhause aufgrund eines aktuellen Krieges verlassen mussten und nicht wissen, wie es den Zurückgebliebenen geht. Pflegende Angehörige oder 16-jährige Freiwillige, die sich in einem überlasteten Krankenhaus – dessen Struktur und Personalnot selten auf die Bedürfnisse eines alten Patienten ausgelegt sind – trotzdem eine zusätzliche Minute nahmen, um ihm nochmal in Ruhe mit einfachen Worten und einem Lächeln eine Sache zu erklären – ihn trösten, als Mensch würdigen, ernst nehmen. Eine kleine Geste, die in dem Moment so viel bedeutet für eine 91-jährige Person, die sich nicht mehr auf die eigene Kraft und einen schnellen Geist verlassen kann und damit verdammt verloren fühlt … Etwas, das uns allen hoffentlich erspart bleibt und das wir erst dann wirklich verstehen können, wenn wir es selbst durchleben.
In diesem Sinne: Mit tiefem Respekt für all diese Vorbilder unter uns! Wir sind dankbar, dass es euch gibt. Oder wie es das Zitat aus dem Zeichentrickfilm „Hercules“ aus 1997 so wunderbar auf den Punkt bringt, den ich kürzlich mit ein paar Kindern wieder gesehen habe:
„Ein wahrer Held wird nicht an der Größe seiner Kraft gemessen, sondern an der Kraft seines Herzens.“
