Wenn Corona kein Stein auf dem anderen lässt 2

Wenn Corona kein Stein auf dem anderen lässt

Veränderung macht Angst. Klar, Binsenweisheit. Dennoch: Spätestens das, was nun mit dem Schreckgespenst Corona um uns herum passiert, hat sie ausgelöst und zwar auf ganzer Ebene. Vielleicht ist das, bei all der Aufregung und Tragik für jeden Betroffenen, die einzig gute Nachricht dabei. Wir spüren wieder, dass wir verbunden sind. Jedes menschliche Leben und jeder vermeintliche Erfolg, wirtschaftlich oder privat, ist zerbrechlich. Von jetzt auf gleich! Eine Tatsache, die wir leicht vergessen in unserem hochoptimierten, zunehmend unverbindlichen Alltag. Denn mit einem Mal funktioniert eben nichts mehr. Veranstaltungen werden abgesagt, Mitarbeiter und Schulkinder müssen zuhause bleiben, Medikamente und Hygieneartikel mutieren zur Bück-Dich-Ware. Mal schnell unterwegs mit Bus und Bahn? Steigende Aktienkurven? Pustekuchen. Einfach so, weil wir eben eine leicht zu gefährdende Spe-zies bleiben. Da braucht nur ein neuer Virus aufzutauchen und, schwups, Notprogramm.

Ja, wir sind mittendrin in einer Veränderung. Einer großen. Der, von der wir schon lange reden. Das ist ein Fakt und der macht Angst. Jedem von uns. Denn falls wir nicht um uns selbst oder um unsere Kinder bangen, dann um unsere Eltern oder Großeltern mit ihrem wackligen Immunsystem. Menschen, die wir lieben und die wir anstecken könnten. Und wir fragen uns: Wo führt das hin? Das wissen wir nicht. Weiß man nie bei einer Veränderung. Deshalb ist sie ja so unpopulär und die Hamsterkäufe in Supermärkten sind ein Sinnbild dafür. Angesichts leer gekaufter Toilettenpapier-Regale oder entwendeter Desinfektionsmittel auf Firmentoiletten muss ich zwar den Kopf schütteln, aber natürlich werde ich genauso unruhig und sehe: Auch dieser Umbruch verläuft nach Lehrbuch. Eine Veränderung wird stets durch einen von zwei möglichen Faktoren ausgelöst: Entweder von innen (der eigenen Sehnsucht nach Neuem) oder einem Anstoß von außen. In dem Fall durch Viren und, klar, Variante eins wäre eindeutig schöner. Niemand mag Druck von außen. Jetzt, da er da ist, gibt es – neben Hygiene und Information – nur noch diese dritte und letzte Möglichkeit für Selbstwirksamkeit, wie es Psychologen nennen. Nämlich: die Einsicht, dass wir Menschen (weltweit) zusammengehören, auch wirklich zu nutzen. Eben mal nicht im Supermarkt drängeln und dabei hin husten, wo man will. Rücksicht nehmen, aufeinander aufpassen, achtsam sein – das sind nun mehr als Worthülsen mit spirituellem Beigeschmack. Letztlich die einzige Chance fürs Gesundbleiben, Gesundwerden, für unsere Welt. Erste Nachbarschaftsinitiativen machen es bereits vor.

Wir leben in globalen Zeiten. Turboegoismus und Materialismus sind da nicht die besten Zutaten. Genauso wenig wie ungehobeltes Pfauengehabe oder Schuldzuweisungen an andere. Guten Morgen, Herr Trump. Gestern nun die Meldung zur Willensbekundung großer Unternehmen für mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit. So sollen – neben dem Einsatz von effektiveren Verpackungen – auch Produktlinien entstehen, bei denen es möglich ist, Geräte zu reparieren. Wichtig, keine Frage! Aber schmunzeln musste ich bei dieser Nachricht auch. Gerade als Kind der neuen Bundesländer. Dass Dinge auch mal repariert werden können, da kommen wir jetzt drauf – echt jetzt? 

Veränderung ist gut. Klar. Auch ich vertrete in meinen Büchern, Vorträgen, dem eigenen Lebenslauf diese Haltung. Bleibe auch überzeugt: Selbst diese Veränderung wird etwas Gutes mit sich bringen. Selbst wenn (um es mit Xavier Naidoo zu sagen) der Weg, auf den wir nun geschubst wurden, kein leichter sein wird. Mit Blick auf persönliche Neuanfänge schreibe ich sonst von den vier Phasen, die wir beim Ansteuern von neuen Ufern durchlaufen: 

Erkennen, Annehmen, Loslassen, Verändern – und zwar durch Perspektiv-Wechsel! 

Auch mit Blick auf unser Land wußten wir bereits länger: Es ist Zeit für Neues. Durch ein Alles-wird-gut-Mantra nach der Vogel-Strauß-Technik klappt` s nicht mit dem Happy End. Auch hier gilt: Mit kleinen, dennoch konsequenten Schritten in die neue Richtung erreichen wir das Ziel. Vor allem mit guten Wegbegleitern für den Nebel zwischendurch und genau das sind wir nun alle füreinander. Ja, wir schaffen das! Aber nur zusammen und das ist wahrscheinlich der gute Teil der Nachricht in diesem Tohuwabohu. Wie ein lieber Kollege beim letzten großen Championasleauge Spiel RB gegen Tottenham vorm ausverkauften Wohnzimmer in der Arena Leipzig kürzlich postete – frei nach dem Motto Wie im Fußball so im Leben: „Wir. Kämpfen. Und. Siegen. Zusammen. Jetzt!“ 

PS: Gerade lief über die Ticker die Eilmeldung von einer weiteren Veränderung. Demnach hat das Bundesamt für Verfassungsschutz nun den von AfD-Mitgliedern gegründeten „Flügel“ offiziell unter Beobachtung gestellt. Alles in Bewegung.