Muschelsonne_im_Sand

Der Boxertrick

Das Glück liegt ja bekanntlich in unseren Händen. Aber manchmal stolpern wir und dann fällt es heraus. Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen, lautet eine Postkartenweisheit. Nur wie, fragt man sich manchmal. Vor allem dann, wenn es ewig zu dauern scheint, bis man wieder Aufwind spürt. Dabei ist das langsame Tempo manchmal genau das richtige für uns. Zumindest wenn man Profiboxern glaubt.

So hatte ich das Glück, bei einem Interview die Weltmeisterin im Kickboxen, Dr. Christine Theiss, kennenzulernen. Im wahrsten Sinne des Wortes, eine Frau, die einen umhaut: Erfolgreich, klug, sympathisch, schön. Außerdem Mutter, Ärztin, Model, Rednerin, Moderatorin der TV Reihe „The biggest loser“, Sportexpertin bei „ran“, engagiert in einem Fernsehbeirat und ehrenamtlich aktiv bei einer Hunde-Rettungsstaffel. Als wir über das wieder Aufstehen im Leben sprechen, ist auch sie schnell bei dieser Sache mit dem Tempo. „Wenn man mit kleinen Schritten beginnt und übt, kann man alles erlernen.“, sagt sie. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es niemals zu spät ist, sein Leben zu verändern und auch ich bin eher der langsame Typ.“ Angesichts ihrer vielen Erfolge zeigt mein Gesichtsausdruck, dass ich ihr das nicht glauben kann. Also muss sie ausholen, um einem Box-Laien wie mir noch einmal die Materie zu erklären: „Im Profibereich kämpft man zehn Runden, musst du wissen. Bei den Amateuren nur drei. Deshalb bin ich bei den Profis auch gut aufgehoben. Ich komme langsam, aber dann gewaltig.“
„Du braucht also deine Anlaufzeit im Kampf?“, frage ich nach. Sie nickt. „Ja, am Anfang, weil mir noch die Ahnung und die Kraft gefehlt haben. Später aus taktischen Gründen.“ Wieder mein Blick, der bedeutet: Bitte erklär mir mehr! Außerdem vermute ich hier einen Geheimtipp, der vielleicht auch auf andere Kämpfe – außerhalb des Boxringes – übertragbar ist und ich bekomme ihn.

„Wenn man am Anfang noch nicht soviel Gas gibt, kann man zunächst die Situation für sich abklären. Also die Distanz einstellen und für sich selbst einen Sockel setzen, von dem man dann weiter agiert. Also im wahrsten Sinne des Wortes erst einmal richtig in den Kampf reinkommen. Nicht sofort blind hinein rennen und dann gefressen werden.“

„Verstehe.“, sage ich und bin fasziniert. „Und wie fühlt sich dann der Lohn an? Beschreib mir das doch bitte mal: Was liebst du an einem solchen Kampf?“ Christine gerät ins Schwärmen. „Na den Sieg. Wenn ich erlebe, dass die Taktik aufgeht. Das ist einfach geil.“ Sie versucht mir das, was dabei in ihr vorgeht, genau zu übersetzen. „Du musst hochkonzentriert sein, deine Stärken betonen, Schwächen verstecken und vor allem Ruhe bewahren! Da gehört so viel dazu.“
„Und wie bist du als Sportlerin mit Misserfolgen umgegangen?“ Ich korrigiere mich. „Gut, bei so vielen WM und Deutsche Meister-Titeln hattest du das sicher nicht oft. Aber was war da dein Rezept?“ Sie bleibt bescheiden. „Ach, ich habe trotzdem oft genug verloren und als Jugendliche, das muss ich schon sagen, bin ich völlig falsch mit Niederlagen umgegangen. Da habe ich anschließend die totale Angst vorm nächsten Misserfolg entwickelt und so musste der darauf folgende Kampf ja schief gehen.“ Sie schüttelt den Kopf. „Nein, so darf man das um Gottes Willen nicht machen! Die Dinge werden ja so, wie wir sie visualisieren. Deshalb sind Vollkontaktsportler, wie wir Boxer, am besten, wenn sie zu den älteren Hasen zählen. Also eher zur Lebensmitte hin. So um das dreißigste oder fünfunddreißigste Lebensjahr herum.“
Ich bin begeistert. „Die Reife bringt`s also auch hier?“ – „Klar“, sagt sie, „Denn bei so einem Kampf entscheidet sich viel im Kopf und da werden wir mit den Jahren ja erfahrener und vor allem gelassener.“

Also dann, beim Glück einsammeln, nicht vergessen: Für eine Veränderung ist es nie zu spät. Im Gegenteil: Gestandene Hasen sind die Besten; im Vollkontaktsport und im Leben. Wenn wir zu schnell in den Kampf reingehen, holen wir uns bloß blutige Nasen. Ach, und schreiben Sie mir (Kontaktformular) auch Ihren Lieblingsimpuls: Von einem Gedanken oder einer Begegnung, die Sie berührt und weitergebracht hat. Lassen Sie uns das Glück teilen! Schließlich vermehrt es sich dabei 🙂